Asylpolitik in Bayern: Ein Land, das menschlich und sozial ein Vorbild sein will, ergreift ''rigorose Maßnahmen'' gegen hilfesuchende Menschen?
Datum: Dienstag, dem 09. Februar 2016
Thema: Bayern News


Regensburg (ots) - Bayern soll nicht nur ökonomisch und ökologisch, sondern auch menschlich und sozial ein Vorbild sein."

Es war ein schöner Anlass, zu dem Ministerpräsident Horst Seehofer diese Worte am Freitag vergangener Woche äußerte: 134 Menschen wurden dafür ausgezeichnet, dass sie anderen Menschen in Bayern das Leben gerettet hatten.

Nur einen Tag später gingen ganz andere Zitate des Ministerpräsidenten durch die Medien: "Rigorose Maßnahmen" gegen Flüchtlinge aus Südosteuropa kündigte er an, "härter gegen Asylmissbrauch" wolle er vorgehen.

Man könnte das für paradox halten. Ein Land, das menschlich und sozial ein Vorbild sein will, ergreift "rigorose Maßnahmen" gegen hilfesuchende Menschen.

Doch diese Rhetorik fügt sich nahtlos in die all jener Politiker, die Flüchtlinge naturgewaltengleich in Wellen das Land überrollen oder in Fluten die Kapazitäten der Sozialsysteme sprengen lassen.

Denn wo Flutwellen drohen, muss man Dämme bauen. Logisch. Obwohl Dämme dort zum Brechen neigen, wo den Flutwellen keine Alternativen geboten werden.

Und auch wenn so manche Überschwemmung durchaus fruchtbares Ackerland zurücklassen kann.

Unabhängig vom politischen Sinn oder Unsinn der derzeitigen Flüchtlings- und Asylpolitik ist zu beobachten, dass sich der sprachliche Umgang mit den Schutzsuchenden drastisch verändert.

Das trifft nicht nur jene, die nun pauschal in Elends- oder Wirtschaftsflüchtlinge, ergo Sozialschmarotzer, oder tatsächlich schutzwürdige Kriegsflüchtlinge sortiert werden.

Sondern auch und ganz besonders die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge.

Nach geltendem Recht genießen diese Kinder und Jugendlichen besonderen Schutz.

Im rhetorischen Wettrüsten aber sind mittlerweile auch hier "die Kapazitätsgrenzen" erreicht.

Dabei lassen sich Argumente wie jenes, dass die Standards bei der Versorgung junger Flüchtlinge gesenkt werden müssten, weil die gute Betreuung das Geschäftsmodell der Schleuser unterstütze, recht leicht als Stimmungsmache entlarven.

Es ist in etwa so logisch wie die Behauptung, Fortschritte in der Krebstherapie brächten Tabakkonzerne dazu, mehr Zigaretten zu verkaufen.

Was aber kaum einer hinterfragt: Wer eigentlich setzt die Kapazitätsgrenzen?

Dass es an qualifizierten Sozialpädagogen, Lehrern und Erziehern fehlt, ist nicht gottgegeben, sondern Folge einer Politik, die jahrzehntelang andere Prioritäten setzte - siehe Kitastreik.

Und kann sich Deutschland in dieser Frage "Kapazitätsgrenzen" eigentlich wirklich leisten?

Oder könnte die Wanderungsbewegung höchstmotivierter junger Menschen, die Wüsten und Meere überqueren, nur um eine gute Ausbildung zu erhalten, nicht vielmehr die lang herbeigesehnte Lösung sein für den vielbeschworenen Fachkräftemangel und die mehr als 37.000 unbesetzten Ausbildungsplätze?

Zumal die Unterbringung, Betreuung und Ausbildung junger Flüchtlinge keine rein humanitäre Wohltat ist.

Sondern gleichzeitig ein Beitrag sowohl zur Entwicklungshilfe - und damit zur Vermeidung künftiger Flüchtlingsdramen - wie auch zur Terrorbekämpfung:

Wer in Not nach Deutschland kommt, hier freundlich aufgenommen und vielleicht sogar ausgebildet wird, kann später selbst in seiner Heimat helfen.

Und wird sich eher nicht Gruppen wie Boko Haram oder dem IS anschließen, um westliche Werte zu bekämpfen.

Es geht in der Asylpolitik nicht darum, das eigene Leben zu riskieren, um jemanden aus einem brennenden Haus oder aus reißenden Fluten zu retten, wie es die Träger der Rettungsmedaille getan haben.

Es geht auch nicht darum, allen Menschen aus Syrien oder den Balkanländern lebenslang einen Platz in der Sonne des deutschen Sozialsystems zu garantieren.

Aber es geht um Rettung, die auch darin bestehen kann, sich mit Menschen, ihrer Not und ihrem Hintergrund individuell auseinanderzusetzen, ohne sich dabei hinter im besten Fall sinnfreien, im schlimmsten Fall wörtlich brandgefährlichen Floskeln zu verstecken.

Dass Horst Seehofer sich am Mittwoch im Landtag besonnener gab, lässt immerhin Hoffnung zu.

Vielleicht meint er ja doch, was er selbst zur Verleihung der Rettungsmedaillen auf seiner Facebook-Seite schreibt: "Bayern ist stark, weil sich die Menschen in unserem Land nicht wegducken.

Die Menschen sehen die Not anderer und sind auch bereit, Verantwortung für andere zu übernehmen."

Leitartikel von Katia Meyer-Tien

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Zitiert aus http://www.presseportal.de/pm/62544/3078214, Autor siehe obiger Artikel.

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Regensburg (ots) - Bayern soll nicht nur ökonomisch und ökologisch, sondern auch menschlich und sozial ein Vorbild sein."

Es war ein schöner Anlass, zu dem Ministerpräsident Horst Seehofer diese Worte am Freitag vergangener Woche äußerte: 134 Menschen wurden dafür ausgezeichnet, dass sie anderen Menschen in Bayern das Leben gerettet hatten.

Nur einen Tag später gingen ganz andere Zitate des Ministerpräsidenten durch die Medien: "Rigorose Maßnahmen" gegen Flüchtlinge aus Südosteuropa kündigte er an, "härter gegen Asylmissbrauch" wolle er vorgehen.

Man könnte das für paradox halten. Ein Land, das menschlich und sozial ein Vorbild sein will, ergreift "rigorose Maßnahmen" gegen hilfesuchende Menschen.

Doch diese Rhetorik fügt sich nahtlos in die all jener Politiker, die Flüchtlinge naturgewaltengleich in Wellen das Land überrollen oder in Fluten die Kapazitäten der Sozialsysteme sprengen lassen.

Denn wo Flutwellen drohen, muss man Dämme bauen. Logisch. Obwohl Dämme dort zum Brechen neigen, wo den Flutwellen keine Alternativen geboten werden.

Und auch wenn so manche Überschwemmung durchaus fruchtbares Ackerland zurücklassen kann.

Unabhängig vom politischen Sinn oder Unsinn der derzeitigen Flüchtlings- und Asylpolitik ist zu beobachten, dass sich der sprachliche Umgang mit den Schutzsuchenden drastisch verändert.

Das trifft nicht nur jene, die nun pauschal in Elends- oder Wirtschaftsflüchtlinge, ergo Sozialschmarotzer, oder tatsächlich schutzwürdige Kriegsflüchtlinge sortiert werden.

Sondern auch und ganz besonders die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge.

Nach geltendem Recht genießen diese Kinder und Jugendlichen besonderen Schutz.

Im rhetorischen Wettrüsten aber sind mittlerweile auch hier "die Kapazitätsgrenzen" erreicht.

Dabei lassen sich Argumente wie jenes, dass die Standards bei der Versorgung junger Flüchtlinge gesenkt werden müssten, weil die gute Betreuung das Geschäftsmodell der Schleuser unterstütze, recht leicht als Stimmungsmache entlarven.

Es ist in etwa so logisch wie die Behauptung, Fortschritte in der Krebstherapie brächten Tabakkonzerne dazu, mehr Zigaretten zu verkaufen.

Was aber kaum einer hinterfragt: Wer eigentlich setzt die Kapazitätsgrenzen?

Dass es an qualifizierten Sozialpädagogen, Lehrern und Erziehern fehlt, ist nicht gottgegeben, sondern Folge einer Politik, die jahrzehntelang andere Prioritäten setzte - siehe Kitastreik.

Und kann sich Deutschland in dieser Frage "Kapazitätsgrenzen" eigentlich wirklich leisten?

Oder könnte die Wanderungsbewegung höchstmotivierter junger Menschen, die Wüsten und Meere überqueren, nur um eine gute Ausbildung zu erhalten, nicht vielmehr die lang herbeigesehnte Lösung sein für den vielbeschworenen Fachkräftemangel und die mehr als 37.000 unbesetzten Ausbildungsplätze?

Zumal die Unterbringung, Betreuung und Ausbildung junger Flüchtlinge keine rein humanitäre Wohltat ist.

Sondern gleichzeitig ein Beitrag sowohl zur Entwicklungshilfe - und damit zur Vermeidung künftiger Flüchtlingsdramen - wie auch zur Terrorbekämpfung:

Wer in Not nach Deutschland kommt, hier freundlich aufgenommen und vielleicht sogar ausgebildet wird, kann später selbst in seiner Heimat helfen.

Und wird sich eher nicht Gruppen wie Boko Haram oder dem IS anschließen, um westliche Werte zu bekämpfen.

Es geht in der Asylpolitik nicht darum, das eigene Leben zu riskieren, um jemanden aus einem brennenden Haus oder aus reißenden Fluten zu retten, wie es die Träger der Rettungsmedaille getan haben.

Es geht auch nicht darum, allen Menschen aus Syrien oder den Balkanländern lebenslang einen Platz in der Sonne des deutschen Sozialsystems zu garantieren.

Aber es geht um Rettung, die auch darin bestehen kann, sich mit Menschen, ihrer Not und ihrem Hintergrund individuell auseinanderzusetzen, ohne sich dabei hinter im besten Fall sinnfreien, im schlimmsten Fall wörtlich brandgefährlichen Floskeln zu verstecken.

Dass Horst Seehofer sich am Mittwoch im Landtag besonnener gab, lässt immerhin Hoffnung zu.

Vielleicht meint er ja doch, was er selbst zur Verleihung der Rettungsmedaillen auf seiner Facebook-Seite schreibt: "Bayern ist stark, weil sich die Menschen in unserem Land nicht wegducken.

Die Menschen sehen die Not anderer und sind auch bereit, Verantwortung für andere zu übernehmen."

Leitartikel von Katia Meyer-Tien

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